Geschichten über Kalbe Milde
 

 


 

 


 
Die jüdische Gemeinde

Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Kalbe konnte bis heute folgendes ermittelt werden:
Eine jüdische Gemeinde muss schon in den Jahren 1820 bis 1830 bestanden haben.
In einem im Januar 1933 im Calbenser Lokalblatt erschienenen Artikel des Oberpfarrers i.R. Mosenthin werden noch drei Namen, Samuel Moses Sachse, Baruch Behrens und Magnus Aren Stein genannt, die 1831 wegen Vergehen verurteilt wurden.

1840 hatte Kalbe 1.549 Einwohner darunter 30 Juden und 9 Katholiken.

In einer umfangreichen Liste aus dem Jahre 1828 ist eine Händlerin Stein genannt, die Strafe zahlen musste weil ihre Söhne Elias und Wolf die Schule der Stadt nicht besucht hatten, weil sie offenbar auch zum Unterhalt ihrer Familie durch Arbeit beitragen mussten.

In den Jahren nach 1846 bis zum Jahre 1852 zahlten, wie aus einem Kassenbuch der Gemeinde hervorgeht, folgende männliche Mitglieder Kirchenstuhlgeld von jeweils 15 bis 20 Silbergroschen vierteljährlich ein: U. Frenkel, M Cohn, M. Wolff, Meier Sinzheimer, Salomon Löwenstein, Moses Sinzheimer, H. Rothe, A. Ellenburg, Wolf Stein, I. Kaufmann, Moses Rosenthal, Salomon Stein, Ferdinand Ahrendt, Louis Naumann, Jacob Ahrend, J. Wallerstein, Levy Feldt, Meier Salomon Abrahamssohn, Michael Wolff, Abraham Sachs, Ruloff Behrmann, Meier Sachs.


Der Versammlungsraum der jüdischen Gemeinde



Auszug aus einem alten Stadtplan


An den Gottesdiensten im Tempel (gemietet bei Joachim Herper) nahmen auch auswärts wohnende Gläubige teil: Kaufmann aus Arneburg, Storck aus Arendsee, Salomon Levinstein und Joseph Abraham, Heinemann und J. Wallerstein sowie Meier Sachs aus Bismark, Marbach aus Gardelegen.
Das Leben in der Gemeinde muss also rege und auch anziehend gewesen sein. Auch ein Lehrer war für die Kinder tätig – in den ersten Jahren J. Rosenberg und später werden im Klassenbuch als Lehrer genannt Levin und Rosenthal. Die Lehrer bekam ein vierteljährliches Gehalt, außerdem zahlte die Gemeinde die Miete von 4 Thalern sowie für Heizung und Waschgeld. Auch ein Schächter bekam Gehalt sowie Kosten für das Heizen und für Bettenstroh. An Tempelmiete entstanden je Vierteljahr 3 Thaler, für Friedhofspacht mussten bis zum Kauf des Geländes 2 Thaler 15 Silbergroschen aufgebracht werden. Wenn für 600 Mauersteine für den Friedhof und für Handwerkerarbeiten Kosten entstanden, so wurden sie durch regelmäßig freiwillige Spenden gedeckt. Auch auswärtige Glaubensbrüder spendeten, so 1846 Storck aus Arendsee, Fleischmann aus Bamberg, Kaufmann aus Arneburg sowie einige Fremde. Wenn Bürokosten für M. Sinzheimer gezahlt wurden, so ist anzunehmen, dass er 1849 Vorsteher der Gemeinde war.
Auch die Namen von Personen, die als Revisoren die Führung der Kasse prüften, wurden genannt: Wolf Stein, Frenkel Löwenstein und H. Rothe. In den von der damaligen Königlichen Gerichtskommission Kalbe geführten Registern über Heiratsfälle der Juden und über Geburtsfälle der Juden werden in den Jahren von 1848 (29.Januar) bis 1872 (19.Juli) Namen der bereits aufgeführten Männer sowie ihrer Ehefrauen und Kinder genannt.
Aus den Heiratsanzeigen geht hervor, dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinde, nicht unbedingt sesshaft waren. So war Susmann Herz Friede in Buseck im Darmstädtischen geboren, verheiratet in Mosbach, seine Kinder gehen dann nach Braunschweig, Neuhaldensleben, Helmstedt, Oebisfelde und Calbe. Oder David Hirsch Rein geboren in Schwaben, verheiratet in Göttingen, seine Kinder gingen nach Werben und Calbe.

Nach 1852 ist Einer nach dem Anderen verzogen bzw. haben den christlichen Glauben angenommen. Die Ursachen hierfür können sehr verschieden sein, Lieselott Enders berichtet in ihrem Buch „Die Altmark“ von Handelsverboten aber auch von -zulassungen. Diese basieren auf Entscheidungen der Obrigkeit oder auch auf Verdrängungssorgen der lokalen Händler. Erwähnt werden in der Altmark die Städte Salzwedel, Stendal Seehausen, Arendsee und Werben. Kalbe ist nicht erwähnt.

Auf dem jüdischen Friedhof (dem heutigen Denkmalplatz), fanden im Jahre 1864 die letzten Beisetzungen statt, es ist anzunehmen, dass eine Synagogengemeinde schon 1885 nicht mehr bestanden hat. In diesem Jahr willigte der Vorsteher der Synagogengemeinde von Salzwedel ( Calbe gehörte damals wie heute zum Kreis Salzwedel) Jacobson einem Verkauf des vor der Stadt liegenden, aber in keinem guten Zustand befindlichen Geländes zu. Dabei willigte die Stadt der Auflage zu, hier eine Grünfläche zu gestalten und keine Jahrmärkte oder Volksbelustigungen stattfinden zu lassen. Dem Verlangen kam die Stadt damals nach.

Noch 1882 als die Straße nach Altmersleben fertig gestellt wurde, (bis dahin ging die Straße nach Altmersleben über Vahrholz), schrieb ein Reporter der örtlichen Reginonalzeitung, wer nach Altmersleben will, fährt vorbei an den hebräischen Steinen. Der Friedhof wurde im Jahre 1904 dann offiziell geschlossen.


Der Denkmaplatz um 1915


Nach dem 1. Weltkrieg wurde auf dem Platz ein Denkmal für die Gefallenen Kalbenser Soldaten des 1. Weltkrieges errichtet. (mehr zu dem Denkmal und dem Platz unter Denkmalsplatz auf www.kalbe-milde.de)

Bereits Anfang der 1930 Jahre hatte der damalige Pfarrer Mosenthin den seit 1911 in der Brauerei angestellten jüdischen Braumeister Eduard Lichtblau von der Kanzel herab angegriffen. Lichtblau verließ daraufhin Calbe.

Im Herbst 1938 wurden in Salzwedel 16 Grundstücke von jüdischen Familien enteignet, auch ein Grundstück in Kalbe wurde dabei genannt. Da diese Familie aber inzwischen protestantisch war und nur jüdische Vorfahren hatte, ist daraus dann wohl nichts geworden.

Progrome oder ähnliches sind in Kalbe bisher nicht bekannt geworden.

Im Sommer 1988 wurde in Kalbe die Bahnhofstraße rekonstruiert, dabei wurden einige Gebeine von hier bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestatteten Bürgern freigelegt. Unter Regie von Denkmalpflegern des Kulturbundes halfen Auszubildende des damaligen Kreisbetriebes für Landtechnik Kalbe (Milde). Die Funde wurden in der städtischen Leichenhalle zwischen gelagert und dann im Rahmen einer Feierstunde anlässlich des 50. Jahrestages des Novemberprogroms von 1938 auf dem städtischen Friedhof beigesetzt. Den Gedenkstein schuf Steinmetzmeister Lutz Eichenberg.

Noch heute 2023, pflegt der Kultur- und Heimatverein Kalbe (Milde) jährlich dieses Grab.

Grabstein auf dem Kalbenser Friedhof


(Dieser Aufsatz basiert auf Unterlagen von Hans Käbel und Recherchen von Henning Krüger)

 
 
 
 
 
   
  
 

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